StadtUNbekannt: Von Star Trek zur Astronomie
Von Star Trek zur Astronomie
Wussten Sie, dass die Wiener Urania die erste Alukuppel Europas trägt und der Raum darunter Laterne genannt wird? Die inwien.at-Serie stadtUNbekannt hat sich in der Volkshochschule und speziell in der Urania Sternwarte umgesehen.
„Ich mache Sterne und Planeten greifbar. Auch wenn sie Tausende Kilometer entfernt von der Erde liegen“, erzählt Richter. „Und ich freue mich, das an diesem Standort machen zu dürfen. Immerhin wurde die Urania noch im Kaiserreich 1910 am Kreuzungspunkt zwischen Wienfluss und Donaukanal erbaut, im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und danach wieder aufgebaut.“
Alles unter einem Dach
Der Haupteingang der Urania führt mehr oder weniger direkt in das Foyer der Volksbildungseinrichtung der Wiener Volkshochschulen, allerdings nicht zur Sternwarte. Jener Eingang liegt nämlich auf der Rückseite des Hauses, ein wenig versteckt neben dem Zugang zum Puppentheater. Man kann jedoch auch über einen verzweigten „Schleichweg“ durch die Urania zur Rückseite in Richtung Sternwarte gehen.
Vom Foyer des Haupteinganges aus gelangt man zum Kinoeingang und dem eingemieteten Gastronomiebetrieb und schließlich weiter über einen langen schmalen Gang in das Stiegenhaus beim Hintereingang. „Normalerweise kommen Interessierte von dieser Seite herein“, sagt Richter. Neben dem Lift hängt ein Plan mit einem Schnitt des Hauses. „Da wollen wir hin“, sagt Richter und deutet auf die sogenannte Laterne. „Das ist der zwölffenstrige Raum unter dem Kuppelgeschoß mit dem Teleskop. Ohne Rollos. Aus Brandschutzgründen.“
Immer höher, immer enger
Der Lift führt nicht direkt an den Zielort, sondern hält im Dachgeschoß. Erst 35 Stufen weiter kann die Laterne betreten werden. „Leider ist die Sternwarte nicht behindertengerecht. Denkmalschutz und Platzmangel machen das nachträgliche Einbauen eines Aufzugs nicht möglich“, bedauert Richter.
Von der Laterne aus hat man einen wundervollen Blick über ganz Wien, erkennt Riesenrad und Stephansdom. Sie beherbergt Sitzgelegenheiten für bis zu 35 Personen und ein Verkaufspult, an dem Weltrauminteressierte Plakate, Karten, Bücher und mehr erwerben können. Zudem ist der Raum mit Flatscreens ausgestattet.
Im Hintergrund brummt wiederum ein Elektro-Heizgerät, das wohl auch schon vor zehn Jahren nicht ganz als Hightech galt. Doch da es funktioniert, wird es nicht getauscht. Eine klassische Heizung gibt es hier nicht. Ebenso wenig wie eine Toilette. Wer mal muss, muss wieder runter in die unteren Stockwerke. „Platzmangel“, wiederholt Richter. „Außerdem sollte im Raum darüber, also in jenem Raum mit dem Teleskop, dieselbe Temperatur herrschen wie draußen. Sonst herrscht schlechtere Sicht durch die kalte und warme Luft, die beim Aufeinanderstoßen Wirbel erzeugen.“
Erhabener Blick in die Welt
Die restlichen 15 Stufen führen in den Kuppelraum: Das ist der oberste, höchste Raum des Gebäudes, das seit 1956 die damals europaweit erste Kuppel aus Aluminium, leicht und daher gut beweglich, krönt. Hier ist das Teleskop untergebracht. Obwohl schon aus den 1980er-Jahren stammend, ist es durch die gute Wartung immer noch top in Schuss. Entwickelt wurde das sogenannte Doppelfernrohr von Hermann Mucke.
Mitten im Zentrum: Sterne für alle
Richter schaltet den Strom an und fährt den Computer hoch: „Der ist Kult und total retro“, lacht er. „Windows 98. Das hat heute kaum mehr jemand zu Hause. Aber die Software funktioniert immer noch einwandfrei. Deshalb denken wir hier auch gar nicht an einen Tausch.“ Mit den Computer-„Kasten“, im wahrsten Sinne des Wortes, lässt sich das Teleskop steuern. Über eine spezielle Software können Sterne am Bildschirm angeklickt werden, was zur Ausrichtung des Fernrohrs auf dieselben führt. Das macht es leichter, Himmelskörper zu erkennen. Vor allem für Nicht-Astronominnen und -Astronomen.
Zudem befindet sich die Sternwarte ja mitten im Zentrum einer Großstadt. Wirklich dunkel ist es da nie. Straßenbeleuchtung, Autoscheinwerfer, Lichter durch Fenster und Vitrinen erhellen die Stadt auch in der Nacht. Das erhöht die Schwierigkeit bei der Suche nach Planeten, Sternen oder anderen Himmelskörpern. „Weit ab von Metropolen, in Gegenden mit trockener, kühler Luft sieht man klarerweise viel, viel tiefer ins Weltall. Doch für unsere Zwecke ist das gar nicht notwendig. Wir haben einen Volksbildungsauftrag. Und den können wir vollends erfüllen. Spitzenmäßig und für alle schnell und öffentlich erreichbar. Chile und seine Teleskope der Superlative liegen nun mal nicht ganz um die Ecke.“
Parallel zur Erdachse
Bevor das Teleskop, dessen Standsachse parallel zur Erdachse positioniert ist, die Sonne „ansteuert“ und so direkt zum Nordstern zeigt, ist noch einiges zu tun. Die roten „Hütchen“, sie schützen vor Staub, müssen von den Objektiven genommen, das Teleskop nach unten gefahren und die Kuppel geöffnet werden. Richter: „Das ist ganz wichtig. Man stelle sich vor, es läge ein verletzter Vogel auf der Kuppel und der würde auf das nach oben gerichtete Instrument knallen. Das möchten wir tunlichst vermeiden.“ Schließlich wird noch ein Sonnenfilter montiert. Ohne den würde man bei direktem Blick auf unseren Stern erblinden.
Elektronisches Zahnradsystem
Die Kuppel und der Spalt drehen beziehungsweise schließen und öffnen sich übrigens mittels Zahnradsystem. Fällt da die Elektronik aus, muss wie anno dazumal handgekurbelt werden.
„Der Weltraum, unendliche Weiten.“
„Als Kind hatten wir zu Hause lange keinen Fernseher. Und als wir dann endlich einen hatten, war ich nicht mehr fortzubringen. Ich habe viel geschaut und bin irgendwann bei Star Trek reingekippt“, führt Richter den Ursprung seiner Leidenschaft für Astronomie aus. Jahre später, nach der Matura, und aus Ermangelung einer besseren Idee beziehungsweise aufgrund einer zusätzlichen Begeisterung für Physik und Mathematik studierte Richter dann Astronomie.
Begeistert ist er bis heute: „Es ist mein Traumjob. Ich kann heute Programme für Kinder wie mich damals zusammenstellen. Von der Kometenjagd bis zum Galaxien-Crash. Kinder von sechs bis zehn Jahren sind vom Universum einfach fasziniert. Und für Erwachsene gibt’s die Himmelsblicke. Ich weiß ja, was Erwachsene wollen: Sterne schauen!“
Abschließend verrät Richter, was es mit der „Uraniazeit“ auf sich hat: „1910 wurde die Mitteleuropäische Zeit in Wien eingeführt. Die Wienerinnen und Wiener kamen zur Urania, um ihre eigene Uhr danach zu stellen.“
Fotos: PID/Christian Fürthner
Über stadtUNbekannt
Die inwien.at-Serie stadtUNbekannt zeigt versteckte und teils unzugängliche Orte Wiens – vom Dachboden des Rathauses hinunter in die stillgelegten „Geistertunnel“ der U-Bahn hinauf auf die Spitze des Donaustädter DC Towers.